heidi langauer titel
Bibliografie
 

Beruf(ung) Künstlerin. Zehn Jahre Fontana-Gränacher Stiftung.

Herausgegeben von Irene Stoll-Kern und Rebecca Gericke-Budliger. Mit Beiträgen von Kathleen Bühler, Irene Stoll-Kern und Rebecca Gericke-Budliger. Verlag Scheidegger & Spiess, Zürich 2013, S. 36–41. PDF 512 KB


Kunst Bulletin 3/2011 von Annelise Zwez

Malte die 71-Jährige in den Neunzigerjahren mit Schwarz auf Weiss, so wagte sie im neuen Jahrtausend die Umkehrung: Weiss auf Schwarz. Benennbares mag die Zürcherin mit österreichischen Wurzeln nicht formulieren. Doch die weissen Pinsellinien, die zum Ornament tendierenden «Perlenketten» deuten auf Werdendes. Heidi Langauer zeigt im Kunstkeller Arbeiten, die sie als Artist in Residence in Genua (2008/09) und danach schuf, aber auch neue, nach gesundheitlich diktiertem Unterbruch entstandene. Darunter eine nachtschwarze Mondlandschaft, die den weissen Himmelskörper zweigeteilt zeigt, zu- und voneinander weg strebend zugleich. Schwarz und Weiss ohne vermittelnde Grautöne ist ein langauersches Markenzeichen, doch erscheint die dunkle, trocken aufgetragene Grundierung seit geraumer Zeit aufgebrochen, mit den weissen «Perlen» sachte kommunizierend. In den in Aufsicht gemalten, kleinen Wald-Landschaften löst sie sich gar auf. Im Kabinett überrascht die Künstlerin mit Zeichnungen im A4-Format. Sie entwickeln sich aus intuitiver Befindlichkeit; mal zu Form tendierend, mal von ihr wegstrebend. Sie stehen nicht direkt in Bezug zur Malerei, sind als Inspirationsquellen aber dennoch spürbar.


Schweizerisches Institut für Kunstwissenschaft (www.sikart.ch), 2006

Lexikon-Eintrag zu Heidi Langauer von Angelika Affentranger-Kirchrath


Pressetext zur Ausstellung Galerie Hufschmid 2005

Heidi Langauer: Zwischen allover und zeichnerischem Gegenstand (Sibylle Omlin)

In den Linien hat sich eine neue Weltsicht aufgetan: dem Wesen nach zu bauen, nicht abzubilden. (Alexander Rodtschenko, Die Linie 1921) Malerei und Zeichnung als Textur zu verstehen ist ein Thema, das die Kunst seit der Moderne beschäftigt. Gitter, Kreuzungen und Liniengeflechte dienen dabei nicht nur der Erforschung des Bildraums, sondern stellen in der Malerei die in der Linie gebundene Farbe in ein weitschweifiges Regime der Bildkonstitution und der Geste. Die abstrakte, neo-expressive Malerei des 20. Jahrhunderts hat die Linie zu einem Träger einer umfassenden körperlichen Geste im Bildraum werden lassen. Soll dieses allover inhaltlich gelesen werden als Textur, als Netz oder soll es in seiner kompositorischen Relation und Dichte allenfalls in der optischen Realität des Bildes verschmelzen zu einem nicht separierbaren System, das in seiner Ganzheitlichkeit den Bereich der Abstraktion und gar Monochromie tangiert? Heidi Langauer hat in ihren Bildern seit je dieses Paradoxon untersucht. Mit ihrer reduzierten Palette – schwarz und weiss – nähert sie sich jener Art von Reduktion an, die der mit dem Pinsel gemalten Zeichnung zu einer fast monochromen Dichte verhelfen, wenn auch die Strukturen der einzelnen Linien deutlich erkennbar bleiben. Auffallend ist Heidi Langauers Vorliebe, aus dem Schwarzraum des Bildes heraus weisse Lineamente zu entwickeln, die das Bild formal strukturieren und kompositorisch festlegen. Wie aus der Tiefe eines Röntgenbildes auftauchend sind die weissen Liniengeflechte jenes Element, welche den Bildraum aufhellen, ihn strukturieren und ihn deuten, ohne dass die Schwarzstellen gänzlich verschwinden würden. Die malerisch dicht ineineinander gearbeiteten Linienknäuel erhalten so etwas Körperhaftes, das sich auf eine je spezifische Art und Weise in das Bildformat einschreibt. Dabei verfolgt die Künstlerin unterschiedliche Strategien. Sie lässt die Liniengeflechte wie organische Teile ins Bild hineingleiten: dichtes weisses Flies hängt von oben ins Bild hinein; eine hängende Liniengirlande baumelt quer durchs Format; Ballungen zentrieren das rechteckige Format an kompositorisch geeigneten Stellen. Die weissen Gitter und netzartigen Ornamente verraten von der Absicht, den schwarzen Tiefenraum als Bildgrund zu erhalten. «Weiss über Schwarz» sind denn auch die meisten Malereien betitelt. In den Bildern von 2003 beginnt sich diese eindeutige Zuweisung von Figur und Grund aufzulösen. Weisse und schwarze Strukturen vermischen sich in pixelartigen und geflammten Texturen, die an Webereien oder Computergraphiken erinnern. In diesen jüngeren Arbeiten manifestiert sich ein Interesse am dicht gefügten schwarz-weissen Ornament, so dass der zugrunde liegende Schwarzraum sich ins Bildgeschehen einmischt Noch einmal anders geht die Künstlerin in der Zeichnung vor. Die Linie wird in verschiedenen Strichqualitäten zur «Landnahme» auf dem Papier eingesetzt. Die Linie trägt die Figur, während der Grund des Papiers – unbehandelt oder monochrom eingefärbt – den Bildgrund abgibt. Die Linie dient der Klärung von Bildinhalten und dem Ausgreifen in den begrenzten Bildraum. Mit knappen Strichen entsteht eine Treppe oder eine Bank, drei Striche verteilt über das Blatt deuten einen Raum an. Die Zurückhaltung in der Figuration und die Vermischung zwischen geraden und gekritzelten Linien bringen den gezeichneten Blättern eine eigene Spannung, geheimnisvoll und klar zugleich.


Tages-Anzeiger, Züri-Tipp Nr. 9, 3–9 März 2005

Glanzlichter der Woche

Die in Zürich lebende Heidi Langauer (*1939) hat in den vergangenen Jahren in ihrer Malerei zur totalen Reduktion auf Schwarz und Weiss gefunden. Ausgangspunkt für die Erforschung und Auslotung des Bildraumes ist immer der schwarze oder weisse Bildträger. Mit diesen Polen erobert sich die Künstlerin Pinselstrich für Pinselstrich die freie Fläche. Mal sind es Rasterstrukturen, die sich über das Bild verteilen, mal sind es Linien, die sich zu Knäueln verknoten, mal sind es Striche, die sich fast zur Fläche verdichten. So entstehen bildnerische Landschaften, ornamentale Strukturen – nicht einfach über den Bildgrund gelegt, sondern in Interaktion mit ihm. Von stiller Schönheit sind die einen Werke, andere lassen den Betrachter frei assoziieren. Die eigenen Gedanken ziehen zu lassen, darin liegt der Reiz in den Arbeiten Langauers.


Der Bund, 29. April 2004 Kunstkeller Bern

«War Ariadnes Faden weiss?»

Diese Frage gab einer Serie von Heidi Langauers Bildern den Titel. Mit Hilfe eines Garnknäuels, das Ariadne ihrem Geliebten Theseus mit auf den Weg gab, fand der griechische Held aus dem von König Minos auf Kreta erbauten Labyrinth. Der in Wien geborenen und heute in Zürich lebenden Künstlerin geht es in ihren Bildern jedoch nicht um mythologische Inhalte. Vielmehr sucht sie im übertragenen Sinn nach erhellenden Wegen aus der Düsterkeit: Mit dem Pinsel setzt sie extreme Gegensätze wie hell und dunkel, Innen und Aussen, Tag und Nacht bildhaft auf Leinwand um. Ariadnes Faden ist die gemalte Linie in Weiss auf Schwarz oder Weiss auf Weiss, mit der die Künstlerin diese Thematik stringent verfolgt. Der weisse Faden spannt sich quer über die schwarze Leinwand, zeigt sich locker und verspielt geschwungen, verstrickt sich in unendliche Kringel und Knoten oder löst sich aus einer undurchschaubaren Verworrenheit, In einigen Bildern entstehen auf diese Weise endlos verschlungene und verdichtete Geflechte mit räumlicher Bildwirkung, die den Blick des Betrachters zu fesseln vermögen. Dabei sind vor allem die grossformatigen Arbeiten Langauers, die am meisten beeindrucken und überzeugen.


Neue Zürcher Zeitung, 15. Januar 2003

Verdichtetes Weiss. Heidi Langauer in Rapperswil (Susanne Kappeler)

(…) «Weiss, ich weiss» nennt die in Wien geborene und in Zürich lebende Künstlerin Heidi Langauer die Inszenierung ihrer meist grossformatigen Bilder, die manchmal zu einem Diptychon oder gar zu einer Serie zusammengefasst sind. Lyrisch expressiv, erinnern sie an verschneite Landschaften, an Spuren von Eisläufern oder an Versatzstücke von Hochhäusern. Die Künstlerin geht in Ihrer abstrakten Bilderwelt denn auch meist von konkreten Vorstellungen, von etwas Körperlichem aus, das ihren schwarz-weissen Netzen zugrunde liegt. «Waldkäfig» etwa, ein spinnenartig verdichtetes Bild, lässt an einen Vogel hinter Gittern denken; während «Crossroads» mit seinen wie ein Kreuz über den Bildgrund gelegten weissen Linien an Fussgänger erinnert, die ihre Spuren auf einer Asphaltstrasse hinterlassen haben. Das zweiteilige Bild «milky way» bricht mit den eingestreuten Kreisformen in der einen Bildhälfte die strenge Symmetrie der eingeschriebenen Querbalken seinen Gegenparts auf. Die Künstlerin empfindet die schwarzen Flächen als «körperhaft, warm und expressiv», aber auch als «dunkel und bedrohlich». Weiss wäre demnach ein Ausdruck von Reinheit, aber auch von Kälte. Die Pinselstriche ihrer in Öl oder Acryl auf Leinwand oder Baumwolle gemalten Bilder präsentieren sich wie rhythmisch aneinander gefügte Linien oder formen sich in suchenden Kreisen und Wellenbewegungen. (…)


Aus dem Jury-Bericht Aargauer Kuratorium, 2000

Heidi Langauer

Heidi Langauer begreift Malerei innerhalb eines präzise gesteckten Rahmens. Ihre Untersuchungen vereinen die Suche nach einer Struktur mit den Möglichkeiten des Gestus und denen der Wahrnehmung, In der vorliegenden Werkauswahl wird dieser Zug durch eine extreme Beschränkung der Farbigkeit und eine Wahl in der Strenge der Mittel erreicht. Zwei grossformatige Bilder überzeugen dabei besonders und werden so zu einem eindrücklichen Nachweis der Entwicklungsfähigkeit der Künstlerin. Sie stellt der Malerei Fragen von grosser Bedeutung.


Neue Zürcher Zeitung, 4. Dezember1998

Auf schwarzem Grund. Heidi Langauer in der Galerie Hufschmid (Thomas Ribi)

Manchmal scheinen sie in Heidi Langauers Bildern auf, als wären sie nur versuchsweise hingesetzt: Zeichen, symbolhafte Chiffren – angedeutet, verwischt, fragmentiert, um nicht als Behauptung dazustehen, sondern höchstens als Hinweis auf das, was sich in ihnen verbirgt. Die Auswahl neuerer Arbeiten der Künstlerin, die zurzeit in der Galerie Ester Hufschmid in Zürich zu sehen ist, besticht durch Geschlossenheit. Mit konzentriertem Formenrepertoire schreitet Heidi Langauer in ihren Ölbildern und Papierarbeiten einen Kreis ab, legt Tangenten an eine Welt, die in der Vielfalt ihrer sinnlich erfahrbaren Phänomene Fallen stellt; Fallen, in denen sich zu verfangen droht, wer Formen und Bilder vorschnell auf Bedeutung festlegen will. Wenn sich die 1939 in Wien geborene, in Zürich lebende Künstlerin auf die Zeichen einlässt, auf die sie stösst, so tut sie es dennoch nicht mit Misstrauen, sondern eher mit einem Zögern, das die Faszination über die Sinnfälligkeit der Erscheinungen mit dem Respekt vor ihrer Vieldeutigkeit verbindet. Vielleicht, dass die Ölbilder den Angelpunkt bieten, von dem aus sich Langauers Schaffen erschliesst: Weiss in weiss heben sich da die Strukturen von einem Grund ab, hinter dessen leichtem, durchscheinendem Grau das dahinterliegende Schwarz oft nur erahnbar ist. Auf gleichmässigem Schwarz ruhend, ihm abgetrotzt, eignet den Formen immer etwas Vorläufiges. Sie sind offen, widerlegbar, und gerade daraus schöpfen sie ihre Gültigkeit.


Katalog 1997

Textauszug (Sabine Arlitt)

(…) Systemzusammenhänge und-störungen interessieren diese Künstlerin, die ihr Schaffen kontinuierlich erweitert. «Klon 90», «Facts & Defects» und «fool sun» nannte sie einzelne Werkserien. (…) In Heidi Langauers vielschichtigen Arbeiten befinden sich Beobachtung und eine über das Persönliche hinausgehende Befindlichkeit in einem steten Kräfteaustausch. Ambivalenz wird zum Zeichen des Ruhelosen und Getriebenseins.

sonnig   täuscht    
  Sonne   strahlt  
    Erde   versengt

Mit diesen Worten kommentiert Heidi Langauer ihre Serie «fool sun». Das Bedrohtsein durchzieht ihr gesamtes Schaffen. Auch die «Klone», diese erbgleichen Wesen, können ihre Defekte nicht korrigieren. Eine Metapher, die in Variationen ständig wiederkehrt. Entfremdung? Mutation? Befreiung? Fesselung? Die Folgen sind nicht absehbar. Kleinstes metaphorisch genutztes Element in Heidi Langauers Schafen sind die Chromosomen, Zellbestandteile, die durch Färbung sichtbar gemacht werden können. Unterschiedlichste Spiralisierungsgrade laden das künstlerische Werk auf. Die Spiralbewegung selbst bildet die zentrale motivische Gestik, die Form, Inhalt und Emotion ineinander verwickelt und das Selbstporträt transpersonal werden lässt. Das X wird zum Zeichen der Markierung und des Auslöschens. Zangenartige Gebilde halten und zerquetschen. Spiralförmige Kraftströme erinnern auch an Drahtverhaue. Fliessen und Erstarren begegnen sich auf einem schmalen Grat. Statt eine Fluchtraums eröffnet sich ein Raum der Erkenntnis. Heidi Langauer lässt das Licht nie ganz verschwinden. Die Umgebung, die Landschaft wird genauso zum Antipoden und Transformationsobjekt wie das Blatt Papier. Zeichen werden zu Waffen, der menschliche Schädel erscheint symbiotisch an einen Helm gekoppelt. Teils sind die Blätter beidseitig bearbeitet. Es melden sich Zeichen an der Oberfläche von der Innenseite des Gegenstandes her. Und umgekehrt. Die durchdringende Behandlung des Papiers mit Leinöl und Schellack suggeriert Pergament. Sie lässt an Haut denken, an die Verletzlichkeit einer Schutzhülle. Kein Klagelied wird angestimmt. Aber man glaubt die Aufforderung zu vernehmen, die Haut zu retten. Die Gestimmtheit der Bilder erweist sich als rhetorische Frage (…)